Wer zum ersten Mal ein Möbelstück von Claudia Hentrich und Burkhard Pfister sieht, der könnte verblüfft sein: äußerst eigenwillige Formen, schimmernde Oberflächen, reiche Details vereinen sich zu einem Ganzen. Nach dem ersten Eindruck aber sucht man nach Begriffen, in die man das Gesehene einordnen kann. Wie könnte man diese Möbel hier bezeichnen? Um Design mit seiner Trennung von Entwurf und industrieller Ausführung handelt es sich ganz offensichtlich nicht, um traditionelles Kunsthandwerk mit seiner von den Reformideen der Zeit um 1900 geprägten Materialethik aber ebenso wenig. Der Hintergrund dieser Arbeiten wird deutlicher, werfen wir einen kurzen Blick in die Biografie der beiden: Claudia Hentrich (1952 in Bremen geboren) hat in Berlin Medienwissenschaft und Kunstgeschichte studiert, Burkhard Pfister (1949 in Meiningen geboren) in Karlsruhe und Berlin Malerei und Grafik. Geschichtliches Bewusstsein und handwerkliche Sorgfalt, gepaart mit Neugierde und der Fähigkeit, sich über Konventionen hinwegzusetzen, so möchte ich die charakteristische Gemengelage skizzieren, aus welcher diese Möbel kommen.
>>Marienschrank<<, >>Schrank für die Jugend<<: allein die Titel erzählen Geschichten und verweisen auf Dimensionen jenseits des bloß Nützlichen. Am Anfang einer jeden Möbelgeschichte aber steht die gemeinsame Ideenfindung der beiden Künstler, die auch die Auseinandersetzung miteinander einschließt. Oft gibt ein Auftrag einen zusätzlichen Startimpuls, der in Zeichnungen und Modellen geklärt wird, bevor Hentrich und Pfister ihre Möbel bauen in einer Fülle technischer Verfahren, die vom barocken Möbelbau nicht weniger inspiriert sind als von der Ikonenmalerei oder mittelalterlicher Goldschmiedekunst. Eine Basis von Tischlerplatten oder Sperrholz kaschieren sie mit Stoff und Papier, tragen darüber dann Leimfarben in zahlreichen Schichten auf. Durch das anschließende Schleifen und Polieren kommen Oberflächen zustande, deren Tiefe und Glanz bei aller Strahlkraft etwas ungeheuer Sinnliches, Warmes ausstrahlt. Da haben wir sie, die >>Materialität<<, die eben weit mehr als bloßes Material oder gar reines Oberflächendekor ist. Details in Form von Intarsien, leuchtenden Vergoldungen oder zuweilen gar figürlicher Malerei beleben die in der Regel klaren Grundformen noch zusätzlich. >>Prächtig<<: dieses Adjektiv beschreibt die Wirkung vielleicht am besten.
Diese immer auch ganz konkret und praktisch nutzbaren Möbel laden ein zu Reisen, Entdeckungsreisen mit den Augen, den Fingern, den Träumen: wie aus geometrischen Formen üppig organische Kurvaturen hervorwachsen, wie an verblüffendsten Stellen sich Schübe und Griffe auftun, wie freiplastische Schnitzerei im spannendsten Kontrast zur Fläche in den Raum greift.
Wer jetzt noch eine Kategorie für diese Möbel braucht, könnte mit Begriffen wie Künstlermöbel, Möbelskulptur oder dergleichen hantieren. Ich denke aber, sich hemmungs- und begriffslos der überschwänglichen Pracht dieser Arbeiten und ihrer hinreißenden Phantasiefülle zu überlassen, das wäre weit passender!
Dieter Begemann
Begrüßung: Rose Pfister, Städtische Galerie Bremen
Einführung: Dieter Begemann